Kreativität blüht auf,
wenn wir ein Gefühl
von Sicherheit und
Selbst Akzeptanz haben
Julia Cameron

Bei der Einladung zum Malen höre ich immer wieder: „ich kann nicht malen“.
Das ging mir auch so, als ich, etwas ratlos, vor einem leeren Blatt stand und die Farben anschaute.
Dann traute ich mich mit ersten Pinselstrichen meiner Lieblingsfarbe.
Nach kurzer Zeit kam etwas in Fluss in mir und es begann, mir richtig Spaß zu machen.
Da im Malort in Stuttgart nicht über die Bilder gesprochen wird, lernte ich, ganz bei mir zu bleiben.
Das war sehr überraschend und wohltuend und ist jetzt mehr als 10 Jahre her.
Ich bin dabei geblieben. (Malort Stuttgart)
Was geschieht im Mal-Raum (in Gönningen)?
Wir malen im geschützten Raum, ohne die Bilder zu bewerten, zu beurteilen oder zu interpretieren. Es gibt weder Vorgaben noch Korrekturen.
Du malst, was grade da ist und sich ausdrücken möchte.
Da wir nicht über die Bilder sprechen, kann sich deine eigene Kreativität und die einfache Freude am Mal-Spielen ungehindert zeigen.
Es zählt das Erlebnis und nicht das Ergebnis und es soll Spaß machen. Im Laufe der Zeit wirst du merken, dass dein Selbstwertgefühl gestärkt wird und du dich mehr traust, auch im Alltag „deins“ zu gestalten.
Akzeptanz und Toleranz wachsen, dir selbst und anderen gegenüber.
Für viele ist das eine ganz neue Erfahrung.

Im Hier und Jetzt sein
Woher kommt dieses ständige „weiter“, „schneller“ und „wenn ich erst mal das und das erreicht habe“?
Kleine Kinder zeigen dieses Verhalten nicht. Mit meinen Enkeln war ich mal wieder in der Natur unterwegs. Die Großen stürmten die Wege entlang, schwangen Stöcke, sprangen über den Bach kämpften mit ihren Fantasie Gegnern. Ich war ganz hinten mit dem Kleinen. Er saß auf dem Boden und drehte Steinchen um, dann nahm er einen Stock und bohrte Löcher in den Schnee. Und noch eins und noch eins.
Die anderen waren schon weg und ich versuchte, ihn zu drängeln. „jetzt komm schon, die anderen sind schon ganz da hinten“. Doch das Kind war völlig versunken und ganz bei sich.
Plötzlich hatte ich es begriffen: hier passierte Wesentliches. Der kleine Junge war ganz im Jetzt und musste nirgendwo sein und nirgendwo hin, als genau hier zu sitzen und Löcher zu bohren.
Wir Großen scheinen immer irgendwo hin zu müssen, und es fällt uns sehr schwer, im Hier und Jetzt zu sein.
Genau da setzen das freie und absichtslose Malen oder auch die Naturgänge an.
Ganz im Jetzt zu verweilen und, manchmal staunend, mitzuerleben, wie „es“ malt oder die Natur „tönt“.
Vielleicht ist „Staunen“ ja das richtige Wort. Nicht ständig alles zu wissen oder zu googeln, sondern wahrzunehmen, was gerade ist und geschieht – mehr nicht.

Akzeptieren versus Bewerten
Ähnlich ist es mit dem Bewerten und Beurteilen. Da wir anscheinend so viel wissen, hat jede/r seine Meinung und sieht die Realität mit ihrer/seiner Wahrnehmung. Und die kann sehr unterschiedlich sein.
Nach Meinung einiger Forscher, wie z.B. Harald Hüther, wird die kindliche Kreativität eingeschränkt und beschnitten, wenn die „spielenden Kinder“ in die Schule kommen. Dort geht es plötzlich um richtig/falsch, passend/unpassend, schön/oder eben nicht. Da sind die „richtigen“ Proportionen wichtig, die „richtige“ Farbzusammenstellung. Da ist es wichtig alles „richtig“ zu machen, um gute Noten zu bekommen. Absichtsloses Spielen, sich verlieren im Augenblick ist passe.
Als Ingenieur weiß ich, dass Bewerten und Beurteilen einen wichtigen Wert darstellen, ohne die die ganze Technik nicht funktionieren würde.
Leider konditioniert uns diese Denkweise oft aber so, dass wir uns nicht mehr trauen, einfach loszulegen und zu malen oder in den Wald zu gehen und nur zu Sein. Alles muss ein Ergebnis, etwas Verwert- oder Verkaufbares hervorbringen.
Der Schlüssel scheint mir unsere Seele zu sein. Ich würde sagen, sie lebt nicht von den Ergebnissen und Leistungen, sondern von der Freude, dem inneren Berührtwerden, dem Spielen und der Stille. Alles Begriffe, die man nicht kaufen oder produzieren kann.
(Einige Beispiel dazu findest du am Schluss)
Freies Malen im Mal-Raum oder Schwellengänge in der Natur können ein Beitrag sein, unserer Seele die Nahrung anzubieten, die sie (nachhaltig) satt macht.
Summa
Wer dieses „bei sich ankommen“ mal wieder erleben möchte, herzliche Einladung:
Freies Malen im Mal-Raum Gönningen: nähere Informationen hier
Selbsterfahrung in der Natur: nähere Informationen zum Naturgang hier

Beispiel: freudig genießen
Ein Psychologe wandert in einer Gruppe in den Alpen. Die TeilnehmerInnen sind offensichtlich botanisch bewandert. Alles wird mit lateinischen Namen betitelt und klassifiziert. „Sieh mal hier, schau mal da“. Irgendwann wird es ihm zuviel, er möchte die Schönheit einfach genießen. Auf die Frage einer eifrigen Botanikerin, ob er denn das seltene Exemplar auch kenne, antwortet er: „ich habe sie gefragt, wie es ihr heute geht“. (kognitive Dissonanz…)
Beispiel: staunen lernen
Wenn wir von längeren Wanderungen zurückkehren, werden wir meist gefragt: „wieviel km sind es gewesen?“ Seltener kommt die Frage: „was habt ihr erlebt, wen getroffen oder was hat euch ins Staunen gebracht oder berührt?“
Beispiel: glücklich sein
„ Jeder fragt, ob du Karriere machst, ob du verheiratet bist oder ein Haus besitzt. Als ob das Leben ein Einkaufszettel wäre. Niemand fragt, ob du glücklich bist.“ (Heath Ledger 1979-2008)