„Fünf Tage in Gemeinschaft,

geborgen und sicher gehalten

trauern,

damit Leichtigkeit, Schaffenskraft und Lebensfreude

wieder fließen können!“

 

Auf einem Naturseminar hatte ich von einem „Trauerfeuer-Ritual“ gehört und wurde hellhörig. Mit eigener Trauererfahrung unterwegs und inzwischen aktiv in der Begleitung  von trauernden Menschen war ich neugierig auf diesen wohl ganz anderen Zugang.

„Circlewise Institut für Verbindungskultur“

wird geleitet von Elke Leopthien-Gerwert und ihrem Mann Aaron Gerwert. Elke war lange in Nordamerika unterwegs, um Psychologie, Sozialverhalten und Trauerrituale in verschiedenen, auch indigenen Kulturen, zu studieren und zu verbinden. Aaron führte eine schwere Krankheit in die Tiefen des Menschseins und damit auf Spurensuche für ganzheitliche Heilmethoden. Ich habe sie als zwei wundervolle Menschen und Begleiter kennengelernt.

In meiner Ausbildung zum Trauerbegleiter lernte ich, dass Emotionen wohl erwünscht sind, wenn sie von den Leitenden in einer Gruppe „gehalten“ werden können. Aber in der Praxis  bekam ich das Gefühl, dass man eher Respekt vor emotionaler Musik oder bewusstem Öffnen von emotionalen Räumen hatte.

Aber genau das wollte ich mir mal ansehen. Von anderen Kulturen wusste ich, dass dort Trauer sehr emotional ausgedrückt wird und alle Formen erlaubt, ja erwünscht sind.

Warum bist Du hier?

„Ich möchte wieder lieben können“,  „meine Krankheit bremst mich aus“, „mein Partner fehlt mir so“, „ich fühle den körperlichen Schmerz durch meinen Vater“, „ich möchte meine Sehnsucht spüren“ und vieles mehr. In den Tagen gab es viel Raum, um Themen nachzuspüren: was ist trauern, wie gehe ich mit meiner Wut um, mit meiner Ohnmacht? Im Überlebenskampf Trauern, was können wir tun?

Gleichzeitig begann der Aufbau einer Jurte, in der das Trauerfeuer-Ritual stattfinden sollte. Holz hacken, den Eingang präparieren, den Boden auslegen und dämmen (es war Dezember), die Feuerstelle, die Holzlager usw. Jeder hatte seine Aufgabe und in der gemeinsamen Vorbereitung wuchs offensichtlich etwas im Innen und untereinander.

Das Feuer

Mit Singen und Gebeten wurde das Feuer mit einem Bogen entfacht, liebevoll gestärkt und dann gehütet. Das Feuer brannte jetzt Tag und Nacht und jeder konnte sich zum 2-stündigen Hüten melden.  Schlafen konnten wir in der Jurte am Feuer oder auf dem Zimmer.

Diese besondere Atmosphäre, nachts am Feuer in dem Zelt hatte allein schon etwas Magisches, das ich so noch nicht erlebt hatte. Stille, knistern, ins Feuer schauen, mit anderen – eine große Verbundenheit stellte sich ein und ich spürte, wie meine Seele weicher wurde. Das tat so gut.

Das Ritual verdichtet sich

60 Menschen stehen in großer Runde um das Feuer. Ein Lied wird angestimmt, das die ganze Zeit gesungen wird. Trommeln werden geschlagen, niemand wird zu etwas aufgefordert. Das ist der Rahmen, der spürbar hilft, sich zu öffnen.

Nach einer Weile gehen erste Menschen vor ans Feuer, es ist jetzt ihre Zeit. Sie drücken ihre persönliche Trauer aus.
Da ist Weinen oder Rufen, Schreien oder einfach still sitzen. Die Tränen kommen wohl von ganz alleine und weinen sich aus, bis es genug ist. Endlich dürfen sie fließen.

Hinter jedem Trauernden steht eine andere und hält die Person, ohne sie zu berühren, ist ganz bei ihr oder ihm. Manche drehen sich spontan um und möchten in den Arm genommen werden.
Die Seelen sind offen, verletzlich, die Wunden und der Schmerz sind zu sehen und hören und die Gemeinschaft bezeugt, dass Menschen hier ganz wahr werden.

Nach dem Ritual sieht man Erschöpfung, Entspannung, Glück. Etwas ist in Fluss gekommen.
Die Nacht am Feuer vertieft dieses seelische Erlebnis und ein tiefer Friede zieht ein.

Das Feuer aus-hüten

Am anderen Morgen versammeln wir uns wieder, um miteinander das Feuer „aus-zu-hüten“. Ich habe noch nie einen solch zärtlichen Hebammendienst gesehen. Immer weniger Späne, langsam in eine Ecke, die Asche achtsam in Kreisen verteilt, bis am Ende noch ein einziger Span kurz verglüht. Dann ist das heilende Feuer gegangen. Tränen.

Was bleibt, ist meine Erfahrung, das tiefe Berührtsein von diesem machtvoll heilenden Ritual, das wohl eine meiner innersten Kammern liebevoll erreicht und umarmt hat.
Da ist große Dankbarkeit und Lust auf Leben.

Mitgenommen habe ich, Mut zu bekommen, Menschen in ihrer Trauer Ausdruckweise auch emotional einzuladen und zu ermutigen. Meine freudige Erfahrung ist, dass es Menschen gut tut, wenn sie Emotionen zeigen können und andere mit ihnen diesen Raum halten.

Weiterführende Infos:

Trauerfeuer:
Circlewise Institut– hier

Trauer Ritual „Myroloja“ in Griechenland
beschrieben und erforscht von Jorgos Canacakis im Buch „Ich sehe Deine Tränen“